Am Pfingstmontag, den 25. Mai 2015, fand in Leifers die mittlerweile traditionelle Bachprozession statt. Die 1787 nach Leifers gebrachte Muttergottesstatue von Weißenstein wurde bei der Prozession mitgetragen. Anschliessend fand bei der Gefallenen Kapelle am Friedhof ein Heldengedenken für unsere Standschützen statt.
Die Gedenkansprache hielt der Nationalratsabgeordnete und Grieser Schützenkamerad Werner Neubauer.
Der Schützenbezirk Bozen stellte heuer die Ehrenformation.
Die Rede des Nationalratsabgeordneten Neubauer im Wortlaut:
Am 6. September 1919 verabschiedete sich im Wiener Reichsratssaal der letzte Tiroler Abgeordnete, Dr. Reut-Nicolussi, mit einer berührenden Rede und dem Aufruf, sein Südtirol niemals zu vergessen. Nach beinahe 100 Jahren der unrechtmäßigen Lostrennung vom Vaterland Österreich fühle ich Wehmut, aber es ist mir um Tirol dennoch nicht bang! So stehen wir heute hier in Leifers, dem Ausgangsort jener tüchtigen, mutigen Männer, die von hier den Weg zur Landesverteidigung antraten, einen Weg, der durch das Landlibell von 1511 und die Bedrohung durch den von Italien auferzwungen Verteidigungskrieg als Heilige Verpflichtung vorgezeichnet war. Das Sie letztendlich in einen Krieg ziehen mussten, der als Ergebnis nach 4 Jahren des Einsatzes für Tirol seine Spuren mit unzähligen Todesopfern, Leid und eine geteilte Heimat als Ergebnis im Jahre 1918 bis heute hinterlassen haben. Ich bin Oberösterreicher. Meine Heimat hat eine enge Beziehung zu Tirol. Sie unterstand nämlich ebenso wie Salzburg dem Militärkommando Tirol. Das hatte zur Folge, dass auch zahlreiche Oberösterreicher zu Tiroler Truppeneinheiten einberufen wurden und dass alle oberösterreichischen Regimenter an der Südfront eingesetzt wurden. Als sich zu Jahresbeginn 1915 abzeichnete, dass Italien den Bündnisvertrag brechen und seinem eigenen Verbündeten Österreich-Ungarn in den Rücken fallen werde, begann man in Tirol die Standschützen als letztes Aufgebot zu mobilisieren. Zusätzlich rief man in Salzburg, Kärnten, der Steiermark und in Oberösterreich Freiwillige zu den Waffen, um Tirol zu verteidigen. In Oberösterreich folgten wie in Tirol junge Schüler, Lehrlinge, Bauernbuben und Gymnasiasten und alte Männer jenseits des regulären Dienstalters dem Aufruf zu den Waffen. Ein ganzes Regiment Freiwilliger Oberösterreichischer Schützen zog mit 1.200 Mann an die Südfront, um ihren LANDSLEUTEN in diesem Krieg Hilfestellung zu leisten. Ich darf festhalten, dass der Einsatz der Standschützen, insbesondere in den ersten Monaten des Krieges gegen Italien von eminenter Bedeutung war. So bildeten die etwa 24.000 Standschützen zahlenmäßig rund 2/3 Drittel der österreich-ungarischen Verteidigungskräfte der Südwestfront.Nur mit Hilfe der schließlich an die Front gelangten Standschützen war es möglich, eine auch nur annähernd zusammenhängende Verteidigungslinie aufzubauen. Dank ihrer allgemeinen Vertrautheit mit den Bergen und teilweise – bei den in ihrer engsten Heimat eingesetzten Verbänden – sogar mit dem jeweiligen Gelände, tauchten immer wieder kühne Standschützenpatrouillen auf den höchsten Berggipfeln und Hochgebirgspässen auf und täuschten so stärkere österreichische Verbände in diesem Bereich vor. Italien musste den Eindruck gewinnen, auf reguläre, österreichische Truppenverbände gestoßen zu sein. Diese “Fliegenden Patrouillen” erfuhren stellvertretend im Namen des Schützen Oberjägers Sepp Innerkofler Anerkennenung bei Freund und Feind! Die Leiferer Schützen wurden dem Standschützen Bataillon Nr. 9 – Auer eingegliedert und kamen noch im Mai 1915 an der Fleimstalfront zum Einsatz. Bereits am 30.April wurde das gesamte Bataillon erstmals in Auer zusammengezogen und am 1. Mai erfolgte die Einkleidung in die eingetroffenen Kaiser-Jäger Uniformen. Insgesamt standen 613 Mann in Waffen. Bis Juni – also nur 1 Monat später – waren 30% der Männer bereits gefallen. Bereits im Juli 1916 musste das Bataillon neu formiert werden, waren doch mittlerweile nun 373 gefallene Kameraden zu betrauern, sodass von den 613 Mann noch 240 Schützen am Leben waren. Im Bataillonsstab befand sich auch Feldkurat BENJAMIN VESCOLI . Er war Kurat in Petersberg bei Leifers. Er wurde für seine Verdienste mit dem Goldenen Verdienstkreuz mit Krone am Bande ausgezeichnet. Die 2. Kompanie – Leifers, Branzoll hatte eine Mann-Stärke von 125, sie wurde von Kompanie Kommandanten, Standschützen Hauptmann Valentin Dellagiacoma, der Ende März 1917 aus gesundheitlich Gründen abgelöst werden musste, Oberleutnant Dominikus Zanotti , Leutnant Martin Gasser und Leutnant Viktor Perathoner geführt. Zu Beginn des Jahres 1918 wurden die Männer der Standschützen-Kompanie in Judicarien beordert. Zu den Offizieren gehörte auch Leutnant Ludwig Perathoner aus Leifers, der – obwohl bereits beurlaubt – sich erneut parat gemeldet hatte. Patrouillenführer Josef Pircher, der zu Pfingsten 1915 als Standschütze ausgezogen war, wurde zum Leutnant gewählt. Dann das bittere Kriegsende, mit Verrat begonnen, beendet durch Verrat! Ein Tiroler Schicksal, wie es scheint! In tiefer Ehrfurcht neige ich mein Haupt vor diesen Männern. Vor ihrem Mut, der Tapferkeit und ihrer Liebe zur Heimat Tirol im Väterglauben. Der freiwillige oberösterreichische Schütze Johann Kienesberger aus Ebensee schrieb über den Abmarsch von der Südfront am Ortler nach Nordtirol in sein Tagebuch: „Leute weinten bei unserem Durchmarsch, denn sie wussten bereits, dass sie jetzt italienisch werden.“ Die Leute wurden italienisch, aber nur äußerlich, nicht im Herzen! Die ehemaligen Landesverteidiger verteidigten Tirol nun mit den Waffen des Herzens und des Geistes. Zusammen mit ihren Familienangehörigen und mit der Unterstützung heimattreuer Priester hielten sie den verbotenen Katakomben-Untericht in Kellern, in Stadeln, in Wäldern und auf Berghütten ab. Sie sorgten dafür, dass der deutsche Laut im Lande nicht verstummte, dass die eigene Kultur nicht unterging. Der Name Reut-Nicolussi, des Verfassers des Buches „Tirol unterm Beil“, steht hier für viele andere. Die Geschichte der Landesverteidigung von 1915 bis 1918 gleicht einem Heldenlied wie der Nibelungensage. Von gleicher Größe aber ist die Geschichte des Kampfes um das Volkstum bis heute. Es ist außergewöhnlich, dass eine so vielfach bedrängte Volksgruppe sich durch nahezu 100 Jahre kulturell behaupten und den Willen zur Freiheit bewahren konnte. Viele beherzte Menschen wie Reut Nicolussi oder Kanonikus Gamper kämpften mit den Mitteln der Politik für die Wiedervereinigung Tirols. Für solche Leute ist der Kampf um Tirol erst zu Ende, wenn das Land wieder vereinigt ist. Viele Patrioten wollten in den Sechzigerjahren jenen Tirolern zur Seite stehen, die ebenso wie 1915 als Freiwillige alles für die Heimat gaben. Zu diesen gehörte wohl auch der Leiferer Luis Clementi, der in der Kaserne in Eppan schweren Torturen ausgesetzt, ja sogar mit dem Tode bedroht war, weil er sich geweigert hatte, verhaftete Südtiroler Aktivisten des Freiheitskampfes zu verraten. Sein Name steht hier für viele andere, derer wir auch voll Dankbarkeit heute gedenken wollen. Wären die Verteidiger des Landes heute unter uns, würden sie uns wohl fragen, was wir für die Freiheit und Einheit Tirols heute zu leisten bereit sind. Es geht dabei nicht mehr um schwere Opfer wie in der Vergangenheit. Jeder Bürger kann heute an seinem Platz und mit seinen Möglichkeiten etwas Gutes beitragen. Italien hat auf gesetzlichem Wege im Verfassungsrang das Menschenrecht auf Selbstbestimmung anerkannt. Auch die Verleihung einer doppelten Staatsbürgerschaft ist nach italienischer Verfassung – zur Stärkung der Verbundenheit mit dem Vaterlande Österreich – möglich. Aber Wollen und dafür eintreten, das müssen die Menschen bzw. die Politik schon selbst! Die Voraussetzungen dafür haben die Patrioten der 60er Jahre geschaffen. Die Herausforderungen und die Rahmenbedingungen im Jahre 2015 sind heute andere, als noch vor 50 Jahren. Die Schützen halten die alten Freiheitsideale in den Herzen der Jugend lebendig. Sie erfüllen damit eine Aufgabe, vor der die Politik und die Schule aus Opportunismus, aus Feigheit und aus Bequemlichkeit so vielfältig versagen. Die Schützen blicken in die Zukunft, bewahren aber aus dem Erbe der Väter das Gute. Dazu gehört die Identität des Volkes und seiner Kultur. Es geht aber auch um die Bewahrung von Grundwerten unserer abendländischen Kultur, die durch das Christentum geprägt ist. Man muss sich nicht in die Kette der Narren einreihen und jede Blödheit des Zeitgeistes bejubeln. Ihrer Geschichte und ihrer Zielsetzung gemäß sollen die Schützen das mahnende Gewissen des Landes sein! Ich bin mir dessen gewiss, dass auch die Leiferer Schützen dieser Vergessenheit nicht anheimfallen werden. Allen jenen Schützen, die getreu dem Schützen-Eid jemals auszogen, Sie werden als Beispiel von Stetigkeit und Treue ihren Platz in der geschichtlichen Erinnerung unseres Volkes erhalten . Das ist auch der Grund, warum mir um Tirol, trotz mancher widrigen Begleitumstände, nicht bang ist. Wir wissen nicht, wie lange der Weg noch ist. Wir wissen aber, dass er zum Ziel führt, wenn wir nicht die Richtung verlassen! Es lebe Südtirol, es lebe Tirol! Schützen Heil! |